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Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) » Infos & Pflege

  • Erstellt von Sven Jantzen

Amyotrophe Lateralsklerose ist eine seltene neurologische Nervenerkrankung, die sowohl sporadisch als auch familiär auftreten kann. Dieser Artikel befasst sich ausführlich mit der Krankheit Amyotrophe Lateralsklerose: von der Definition über die Ursachen und Diagnose bis hin zur Pflege von ALS-Patienten und den Zielen der Pflege.

Amyotrophe Lateralsklerose (ALS): Eine seltene Nervenerkrankung und deren Pflege

Amyotrophe Lateralsklerose ist eine seltene neurologische Nervenerkrankung, die sowohl sporadisch als auch familiär auftreten kann. Dieser Artikel befasst sich ausführlich mit der Krankheit Amyotrophe Lateralsklerose - von der Definition über die Ursachen und Diagnose bis hin zur Pflege von ALS-Patienten und den Zielen der Pflege.

Eine intakte Nervenzelle, links, im Vergleich zu einer beschädigten Nervenzelle, rechts.

Eine intakte Nervenzelle (links) im Vergleich zu einer beschädigten Nervenzelle (rechts), wie es z.B. bei ALS auftritt | © Dr_Microbe - stock.adobe.com

Inhaltsverzeichnis

 


Was beschreibt Amyotrophe Lateralsklerose (ALS)?

Amyotrophe Lateralsklerose, auch ALS, Myatrophe Lateralsklerose, Charcot-Krankheit oder Lou-Gehrig-Syndrom genannt, ist eine fortschreitende Erkrankung aus dem Formenkreis der Motoneuronerkrankungen, die die motorischen Nervenzellen im Gehirn und Rückenmark betrifft. ALS führt zur schrittweisen Schwächung der Muskulatur bis zum Muskelschwund und kann dadurch zu erheblichen körperlichen Einschränkungen führen. Die Lebenserwartung sinkt um durchschnittlich drei bis fünf Jahren.

In Deutschland wird die Zahl der späteren Neuerkrankungen auf etwa 1 bis 2 Fälle pro 100.000 Einwohner geschätzt. Da Deutschland eine Bevölkerung von rund 83 Millionen Menschen hat, könnten jährlich etwa 800 bis 1.600 neue ALS-Fälle auftreten. [1]

Auslöser und Ursachen von Amyotrophe Lateralsklerose

Obwohl die genaue Ursache von Amyotropher Lateralsklerose weiterhin unbekannt ist, wurden mehrere Auslöser und zugrunde liegende Faktoren identifiziert. 

Erstens gelten genetische Mutationen als einer der Hauptauslöser. Ungefähr 7 % der Fälle werden vererbt, hauptsächlich durch Mutationen in Genen. Diese Mutationen stören die normale Funktion der Nervenzellen und führen mit der Zeit zum Absterben von Motoneuronen. 

Darüber hinaus können auch Umweltfaktoren wie die Einwirkung von Giftstoffen zur Entwicklung der Erkrankung des motorischen Nervensystems beitragen. Als potenzielle Risikofaktoren für Amyotrophe Lateralsklerose wird eine längere Exposition gegenüber Schwermetallen, bestimmten Chemikalien oder Pestiziden vermutet. 

Darüber hinaus handelt es sich bei ALS um eine komplexe Erkrankung, die durch verschiedene biologische und zelluläre Mechanismen beeinflusst wird. Eine vorherrschende Hypothese ist, dass ALS durch eine Kombination aus oxidativem Stress und Proteinfehlern in Neuronen entsteht. Oxidativer Stress entsteht, wenn ein Ungleichgewicht zwischen der Produktion freier Radikale und dem antioxidativen Abwehrsystem des Körpers besteht. Dies führt zur Ansammlung beschädigter Moleküle und schädigt letztendlich Neuronen, einschließlich Motoneuronen. Parallel dazu kommt es zur Ansammlung von Proteinen (Proteinopathie) in Zellen, die die Zellfunktion stört und zum Tod von Motoneuronen beitragen kann. 

Die multifaktorielle Natur von ALS legt nahe, dass sie aus einer Kombination genetischer, umweltbedingter und zellulärer Faktoren resultieren kann, die synergetisch wirken. 

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ALS erkennen: Diagnose und Symptome

Die Diagnose von Amyotrophe Lateralsklerose erfordert eine sorgfältige Untersuchung und den Ausschluss anderer möglicher Erkrankungen. Zu den ersten Symptomen zum Krankheitsbild gehören Muskelsteifigkeit (Spastiken), Schwäche in den Extremitäten (Muskelschwund), Schluckbeschwerden und Sprachprobleme. Die genaue Diagnose wird in der Regel mithilfe von klinischen Tests und bildgebenden Verfahren (Differentialdiagnostik) gestellt.

Vorstellung des Krankheitsverlaufs und Formen der Erkrankung

Amyotrophe Lateralsklerose kann in verschiedenen Verlaufsformen auftreten, darunter die bulbäre-, spinale- und die respiratorische Form.

Merkmalbulbäre Form der ALSspinale Form der ALSrespiratorische Form der ALS
Hauptbetroffene RegionenMund, Rachen, Schluckmuskulatur  Muskulatur und Nerven im Rückenmark  Atemmuskulatur, später andere Muskeln  
SchluckbeschwerdenStark ausgeprägtWeniger ausgeprägtWeniger ausgeprägt
SprachproblemeDeutlich und frühSpäter, wenn überhauptWeniger ausgeprägt
AtemproblemeJaSelten in frühen StadienJa, zufälliger und schwerwiegender
Muskelzucken (Faszikulationen)  HäufigHäufigHäufig
Muskelsteifheit (Spastizität)MöglichJaJa
PrognoseVariabel, kann schneller verlaufenVariabel, kann schneller verlaufenUngünstig, lebensbedrohlich

Bitte beachte, dass diese Tabelle eine allgemeine Übersicht bietet und dass der Verlauf von ALS bei jedem Patienten individuell sein kann. Die spezifischen Symptome und der Krankheitsverlauf können je nach Person variieren.

Eine grafische Darstellung eines Menschen mit Gehirn, Nervenbahnen und Skelett in der Rückansicht

Über das Gehirn werden alle wichtigen Fähigkeiten des Menschen gesteuert. | © magicmine - stock.adobe.com

Medikamentöse Therapie

Nach aktuellem wissenschaftlichen Stand ist eine Heilung der Krankheit nicht möglich. Im Fokus der medikamentösen und nicht-medikamentösen Therapieoptionen stehen die Verlängerung der Lebenszeit, die Linderung von Symptomen und die Erhöhung der Teilhabe. Als Basismedikament kommt dabei Riluzol zum Einsatz. Mit einer Tagesdosis von 100mg, verteilt auf 2 Gaben, ist eine Reduktion der Progression möglich. Neben dem Riluzol ist Edaravone das einzige Medikament mit einem gesicherten Nachweis seiner positiven Wirkung. Seit 2016 in Japan, später auch in den USA, Kanada, Südkorea und der Schweiz zugelassen, kann der Wirkstoff Edaravone innerhalb der EU leider nur im Rahmen eines individuellen Heilversuchs genutzt werden. Um die Zulassung in der EU voranzutreiben, läuft aktuell eine Studie mit einer oral zu applizierenden Form des Edaravone. Weitere Studien zur Behandlung der ALS werden hoffentlich das medikamentöse Spektrum in der Zukunft erweitern. Im Fokus stehen unter anderem Wirkstoffe wie AP101, Reldesemtiv, SAR443820 oder die Tauroursodesoxycholsäure.

Die weitere medikamentöse Therapie zielt auf die symptomatische Behandlung der Erkrankung ab und wird individuell am Erkrankungsbild des ALS Betroffenen ausgerichtet. Spasmolytika bei spastischen Gangstörungen, Antidepressiva bei Herabgestimmtheit und pathologischen Lachen oder Weinen sind nur einige Beispiele.

Weiter ausführliche Informationen zur Behandlung bietet die ALS-Ambulanz der Berliner Charité auf ihrer Website: Behandlung - ALS-Ambulanz (als-charite.de)

Pflege von ALS-Patienten

Da die Amyotrophe Lateralsklerose eine fortschreitende Krankheit ist, die dazu führt, dass die Muskeln allmählich schwächer werden, sind betroffene Patienten im Laufe der Zeit immer mehr auf Unterstützung angewiesen. Dies erfordert eine kontinuierliche Anpassung der Pflege, um den sich ändernden Bedürfnissen gerecht zu werden und damit die Lebenserwartung zu verbessern. Wir sind Experten in der außerklinischen Intensivpflege in Berlin und Hamburg. Für weiteren Fragen sind wir gerne Ansprechpartner.

Weiterhin erfordert die Pflege von ALS-Patienten ein ganzheitliches und multidisziplinäres Konzept. Dazu gehören:

Physiotherapie

Die Physiotherapie spielt eine zentrale Rolle in der ALS-Pflege. Sie hilft dabei, die Muskeln zu stärken und deren Funktion so lange wie möglich aufrechtzuerhalten. Ein individuell angepasstes Übungsprogramm kann entwickelt werden, um die Beweglichkeit zu fördern und Muskelspastiken zu verhindern. Die Physiotherapeuten arbeiten eng mit den Patienten zusammen, um deren Bedürfnisse und Fortschritte zu berücksichtigen.

Logopädie

Da ALS oft auch die Muskulatur im Bereich des Rachens und der Zunge betrifft, kann die logopädische Therapie bei Schluckbeschwerden und Sprachproblemen entscheidend sein. Logopäden können Techniken und Übungen vermitteln, um die Kommunikation und das Schlucken zu erleichtern.

Ergotherapie

Die Ergotherapie konzentriert sich auf die Erhaltung der Selbstständigkeit des Patienten im Alltag. Ergotherapeuten können Hilfsmittel empfehlen und individuelle Strategien entwickeln, um die täglichen Aktivitäten trotz der motorischen Einschränkungen so lang wie möglich zu erhalten.

Atemtherapie

Da die Atmung im Verlauf von Amyotrophe Lateralsklerose durch Schwäche der Atemmuskulatur beeinträchtigt wird, ist die Atemtherapie von entscheidender Bedeutung. Hierbei werden Atemübungen durchgeführt, um die Lungenfunktion zu erhalten und Atemwegsinfektion als Folge von Minderbelüftungen zu reduzieren.

Abhusten erleichtern und Sekretmanagement

Das Abhusten von Schleim kann für Patienten mit Amyotrophe Lateralsklerose eine Herausforderung darstellen. Die Pflegefachkräfte können Techniken vermitteln, um das Abhusten zu erleichtern und die Atemwege freizuhalten. Dadurch können ebenso Infektionen verhindert werden. Erfahre hier mehr zum Sekretmanagement.

Lagerung

Die richtige Lagerung des Patienten ist wichtig, um Dekubitus (Druckgeschwüre) und Schmerzen zu verhindern. Da bei ALS-Betroffenen meist das sensorische Empfinden noch vorhanden ist, eignet sich besonders die LIN-Lagerung. Ebenso kann das Bobath-Konzept zur Anwendung kommen, da die Patienten in verschiedenen Stadien mit unterschiedlich starken Bewegungseinschränkungen/ Lähmungen konfrontiert sind. Die Ziele bei beiden Lagerungsformen sind das Vermeiden von Spastiken, wobei das Bobath-Konzept noch mehr darauf hinarbeitet, den Tonus zu regulieren bzw. einen angepassten Muskeltonus wiederherzustellen. Des Weiteren haben Lagerungsstrategien Einfluss auf die Belüftung der Lunge.

Ernährung

Da Schluckbeschwerden auftreten können, ist die Ernährung von ALS-Patienten oft eine Herausforderung. In Zusammenarbeit mit der Logopädie können spezielle Diäten (im Sinne einer veränderten Kostform) und Hilfsmittel empfohlen werden, um die Nahrungsaufnahme sicherzustellen. Im weiteren Verlauf muss die auch die Frage nach dem Patientenwunsche einer möglichen künstlichen Ernährung über eine Sonde durch die Bauchdecke geklärt werden. Die erfolgt in aller Regel bei Verlaufsuntersuchungen einer spezialisierten Ambulanz.

Mobilisierung / Bewegungsübungen

Die Mobilisierung und regelmäßige Bewegungsübungen sind wichtig, um die Gelenke beweglich zu halten und Kontrakturen zu verhindern.

Prophylaxen

Die Pflegefachkräfte sollten auch Maßnahmen zur Prophylaxe, wie Thrombose- oder Dekubitusprophylaxen, in ihre pflegerische Arbeit einfließen lassen.

Schmerzmanagement

Bei Schmerzen arbeiten Pflegefachkräfte eng mit Ärzten und anderen Professionen zusammen, um geeignete Schmerztherapien zu identifizieren und den Patienten Linderung zu verschaffen.

Soziale Komponenten

Neben der physischen Pflege ist die emotionale Unterstützung der Patienten von großer Bedeutung. Gespräche und psychosoziale Betreuung können dazu beitragen, die psychische Belastung, die mit der Krankheit einhergeht, zu bewältigen.

ALS in der außerklinischen Intensivpflege

Durch den progressiven Verlauf der Erkrankung erfolgt in der Regel bereits in der Frühphase eine Aufklärung sowie eine Beratung zu den Themen Trachealkanülen, Luftröhrenschnitt sowie Beatmung. Patienten müssen früher oder später entscheiden, ob sie diese Therapieoptionen für sich in Erwägung ziehen. Eine pflegerische Betreuung erfolgt dann oftmals im Setting einer außerklinischen Intensivpflege, wie das Zentrum für Beatmung und Intensivpflege dies anbietet. Für die Pflegefachkräfte kommen dann viele Themen zum Tragen, wie Trachealkanülen-Pflege (Trachealkompressen), endotracheales Absaugen, Beatmungsmodi (z.B. ASB/PSV-Beatmung), Sekretmanagement oder Husteninsuffizienz.

Eine Person hält die Hände einer im Rollstuhl sitzenden Person

Betroffene mit Amyotrophe Lateralsklerose sind im fortschreitenden Verlauf auf professionelle Pflege angewiesen | © ZBI Gruppe

Ziele der ALS-Pflege

Das Hauptziel der ALS-Pflege ist die Verbesserung der Lebensqualität und die Verlangsamung des Krankheitsverlaufs. Dies kann durch die oben genannten Therapien und Pflegemaßnahmen erreicht werden. Es ist wichtig, den ALS-Patienten emotionalen und sozialen Beistand zu bieten, da die Erkrankung oft auch psychisch belastend ist.

Insgesamt ist die Pflege von Amyotrophe Lateralsklerose erkrankten Patienten eine komplexe Aufgabe, die Fachkenntnisse und Empathie erfordert. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit von Ärzten, Pflegefachkräften und Therapeuten ist unerlässlich, um den bestmöglichen Verlauf für die Betroffenen zu gewährleisten.

Amyotrophe Lateralsklerose - Zusammenfassung

Amyotrophe Lateralsklerose ist eine schwere Erkrankung des motorischen Nervensystems, die sowohl sporadisch als auch familiär auftreten kann. Die Diagnose erfordert sorgfältige Untersuchungen und die Pflege von ALS-Patienten ein multidisziplinäres Vorgehen. Ziel der Pflege ist die Verbesserung der Lebensqualität und die Verlangsamung des Krankheitsverlaufs.

Weitere Informationen, Unterstützung und Ressourcen für an ALS betroffene Menschen bzw. Interessierte bieten folgende Seiten:

Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN): Die DGN ist die deutsche Fachgesellschaft für Neurologie und bietet auf ihrer Website Informationen über neurologische Erkrankungen, einschließlich ALS. Sie veröffentlichen auch Leitlinien zur Diagnose und Behandlung. Website: https://www.dgn.org/

Gesundheitsinformation.de: Diese Website, herausgegeben vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), bietet verständliche Informationen zu verschiedenen Gesundheitsthemen. Website: https://www.gesundheitsinformation.de/

Bundesverband der ALS-Selbsthilfegruppen in Deutschland e.V.: Diese Selbsthilfeorganisation bietet Informationen und Unterstützung für Menschen. Website: https://www.als-shg.de/

Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP): Die DGP kann Informationen über palliative Versorgung und Unterstützung für ALS-Patienten und deren Familien bieten, insbesondere in fortgeschrittenen Stadien der Krankheit. Website: https://www.dgpalliativmedizin.de/

 

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Quellen:

[1] Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e. V. (DZNE)

 

 

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