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Wachkoma » Pflege & Phasen

  • Erstellt von Florian Seybecke
  • Fachwissen außerklinische Beatmung und Intensivpflege

Das apallische Syndrom (Wachkoma) entsteht durch eine schwere Schädigung der Großhirnrinde ► Alles zu den Phasen und richtiger Wachkoma-Pflege: hier!

Was ist ein Wachkoma bzw. apallisches Syndrom / SRW?

Das Wachkoma, vegetative state (engl.) oder aktuell Syndrom reaktionsloser Wachheit (UWS – unresponsive wakefulness Syndrom) genannt, beschreibt ein seltenes neurologisches Defizit, dessen Ursache durch eine schwere Schädigung oder Ausfall der Großhirnrinde entsteht. Dies geschieht vor allem in Folge neurologischer Krankheitsbilder und (verletzungsbedingten) Schädigungen oder Störungen des Gehirns. Der Thalamus und der Hirnstamm bleiben von der Schädigung ausgeschlossen, weshalb überlebenswichtige Vitalfunktionen wie zum Beispiel Blutdruck, Herzfrequenz, Atmung, Körpertemperatur erhalten bleiben. Die Patient*innen/Bewohner*innen haben meistens einen erhaltenen Schlaf-Wach-Rhythmus, öffnen die Augen und scheinen wach zu sein, reagieren aber nicht auf die äußere Umwelt. Welche Wachkoma-Phasen es gibt, was bei der Pflege von Wachkoma-Patient*innen wichtig ist sowie wesentliche Faktoren zur Krankheitsdifferenzierung, vermittelt der folgende Artikel.

Inhaltsverzeichnis

Termini für Wachkoma in der geschichtlichen Entwicklung

Das Syndrom reaktionsloser Wachheit (SRW), im allgemeinen Sprachgebrauch auch Wachkoma genannt, war früher unter dem Begriff „Apallisches Syndrom“ bekannt (englisch vegetative state), welcher in der Medizin erstmals 1940 von dem deutschen Psychiater Ernst Kretschmer verwendet wurde. Es beschreibt einen Zustand, der beispielsweise nach schweren Verletzungen des Gehirns (z.B. einem Schädel-Hirn-Trauma) oder Störungen der Sauerstoffversorgung und Durchblutung (wie einem Schlaganfall oder einer Hirnblutung) eintritt. Das „Syndrom reaktionsloser Wachheit“ (eng. UWS - unresponsive wakefulness syndrome) ist seit 2009 der wissenschaftliche Ausdruck für das Wachkoma und gilt als Standard in der Medizin.

 

Der Unterschied zwischen Wachkoma und Koma

Der größte Unterschied zwischen dem Begriff Koma und dem des Wachkoma, ist, dass bei einem Menschen im Koma eine komplette Bewusstlosigkeit mit erschlafftem Muskulaturtonus, keinerlei Kontaktaufnahme zur Außenwelt und keine Reaktion auf äußere Reize besteht. Die Augen sind dabei vollständig geschlossen. Bei dem Vollbild Wachkoma/Syndrom reaktionsloser Wachheit, sind die Augen zeitweise geöffnet aber nicht an die Tageszeit angepasst. Menschen im Wachkoma zeigen keine Kontaktaufnahme zu ihrer Außenwelt. Es besteht außerdem im Gegensatz zum klassischen Koma ein starker Tonus der Muskulatur und vermehrte Spastiken. Primitiv motorische Muster können bei äußeren Reizen erfolgen.

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Wachkoma-Pflege

In der Pflege von Menschen im Wachkoma/Syndrom reaktionsloser Wachheit kommt es vor allem auf die Förderung und Stimulierung der Sinne an. Eine gute Grundlage bildet hierbei die basale Stimulation. Sie vermittelt den Betroffenen ein Körpergefühl und trägt zur Förderung der Ressourcen bei. Eine Vielzahl in der professionellen neurologischen Pflege eingesetzten Konzepte sind: 

  • Dialogaufbau nach Zieger: ein spezielles Konzept zur Förderung der Kommunikation im Wachkoma. Es beinhaltet die körpernahe Dialog- und Kontaktaufnahme mit Wachkoma-Patient*innen. Hierbei können auch Angehörige mit einbezogen werden. 
  • Geführte Pflege nach Affolter: Das Affolter-Modell ist eine geführte Interaktionstherapie im Rahmen der Pflege bei Wachkoma, die darauf abzielt, die Handlungskompetenz des*der Patient*in zu erhalten und dessen Wahrnehmung zu fördern. 
  • VeReGo®: das VeReGo®-Konzept umfasst verschiedene Elemente der Logopädie, Ergo- und Physiotherapie sowie der Pflege und steht für Vertikalisierung, Regulation und Oralisierung. Es ist speziell auf die therapeutische Pflege schwerstbetroffener Patient*innen ausgelegt. 
  • MfP - Mobilitätsfördernde Pflegeintervention (Bodenpflege): Ein Mobilitätsförderungskonzept, bei dem die Betroffenen auf dem Boden statt in dem Pflegebett versorgt werden.
  • Facio-Orale-Trakt-Therapie (F.O.T.T.®): Mithilfe dieses Konzepts sollen bei Wachkoma-Patienten Schluckstörungen, Atem- und Sprechstörungen gebessert werden. 
  • Bobath-Konzept: eingesetzt bei einer Vielzahl neurologischer Erkrankungen, hat das Bobath-Konzept zum Ziel, verloren gegangene Funktionen wiederzuerlangen und auf diese Weise eine möglichst hohe Selbstständigkeit des*der Patient*in wiederherzustellen. 
  • Lagerung in Neutralstellung (LIN®): Ein neurophysiologischen Positionierungskonzept, welches vor allem bei der Kontrakturenprophylaxe eingesetzt wird.  
  • Kinästhetik: Hierbei werden anhand von aktivierenden und bewegungsfördernden Maßnahmen die vorhandenen Fähigkeiten eines Patienten erhalten gefördert. 
  • Basale Stimulation: Bei diesem ganzheitlich ausgerichteten Konzept werden verschiedene Reize beim Wachkoma-Patient*in ausgelöst. Durch gezielte Sinnesstimulation soll das Wahrnehmungsbewusstsein gefördert werden.
  • Eine Pflegefachkraft reinigt mit einem spezialisierten Waschtraining eine Wachkoma-Patientin

Das spezialisierte Waschtraining gehört zur Pflege von Wachkoma-Patient*innen | © ZBI Gruppe

Wie können Angehörige im Umgang mit Wachkoma-Patient*innen unterstützt werden?

Angehörige können vor allem durch eine professionelle Beratung, von Experten im Bereich der Pflege von Menschen im Wachkoma, unterstützt werden. Die regional zuständigen Pflegestützpunkte können bei der Suche nach einer passenden Beratung weiterhelfen. Fachpflegeeinrichtungen wie das Zentrum für Beatmung und Intensivpflege in Berlin und Hamburg beschäftigt fachweitergebildetes Pflegepersonal, welches die betroffenen Angehörigen der Klienten*innen der Institution in allen Fragen zu Pflege und im Umgang von Menschen im Wachkoma berät. Pflegende Angehörige haben außerdem die Möglichkeit, sich durch eine große Auswahl an Fachliteratur für Angehörige eines Menschen im Wachkoma, zu belesen. 
 

Remissionsphasen im Wachkoma

Im Syndrom reaktionsloser Wachheit bzw. Wachkoma durchläuft der Mensch sieben Remissionsphasen. Diese wurden von dem österreichischen Neurologen Franz Gerstenbrand definiert. Die elementaren Aussagen und Charakteristika der Remissionsphasen (oder auch Remissionsstufen) sind: 

  • Der Übergang zwischen den Phasen verläuft fließend. Dabei kann die Dauer der einzelnen Phasen von unterschiedlicher Länge sein. 
  • Der Mensch im SRW/Wachkoma kann in diesen Verlaufsphasen einen minimalen Bewusstseinszustand (SMB/ MCS) und vollkommenes Bewusstsein wiedererlangen. 
  • Ein Remissionsphasenaufstieg kann demnach Tage, aber auch Monate dauern. 
  • Folgeschäden bleiben aber auch meist nach Erreichen des vollkommenen Bewusstseins. 
  • Bei mangelnder Förderung eines Menschen im Wachkoma kann es aber auch zu einem schnellen Abstieg in eine tiefere Remission kommen, weshalb konzeptionelle Förderungskonzepte (wie die basale Stimulation) und Therapie einen großen Stellenwert in der Pflege von Wachkoma-Patienten*tinnen einnehmen.

 

Wachkoma-Phasen und deren Merkmale im Überblick

Folgende Phasen werden beim apallischen Durchgangssyndrom unterschieden:

1. Koma (Akutphase)

Im Koma befindet sich der Mensch in einem Zustand kompletter Bewusstlosigkeit mit geschlossenen Augen. Die Betroffenen sind dabei nicht erweckbar und reagieren nicht auf äußere Reize.

2. Syndrom reaktionsloser Wachheit (SRW/UWS/Wachkoma)

Menschen im Vollbild eines Syndroms reaktionsloser Wachheit/Wachkoma zeigen einen nicht an die Tageszeit angepassten Schlaf-Wach-Rhythmus mit zeitweise Öffnen der Augen. In dieser Phase des apallischen Durchgangssyndroms kommt es zu keiner bewusst gesteuerten Kontaktaufnahme zur Außenwelt. Es besteht eine ausgeprägte Muskelanspannung (Hypertonus) mit Spastiken im oberen und unteren Bereich des Körpers.

3. Primitiv-Psychomotorische Phase (SMB/ MCS – minimaler Bewusstseinszustand)

Die Menschen in der primitiv-psychomotorischen Phase befinden sich nicht mehr im Wachkoma, sondern zeigen einen minimalen Bewusstseinszustand. Sie können Blickkontakt kurzzeitig herstellen und die Wachphasen beginnen sich an die Tageszeit anzupassen. Sie zeigen ein undifferenziertes ängstliches Verhalten, psychomotorische Unruhen und teilweise Massenbewegungen in den oberen und unteren Körperabschnitten.

 

Therapie bei einem Patienten im minimalen Bewusstseinszustand (MCS)

Therapie bei einem Patienten im minimalen Bewusstseinszustand (MCS) | © ZBI Gruppe

4. Phase des Nachgreifens (SMB/ MCS)

Die Phase des Nachgreifens beschreibt einen minimalen Bewusstseinszustand im Remissionsprozess von Menschen im Wachkoma/SRW. In dieser Phase kann der Mensch Personen und Gegenstände optisch fixieren und nach seinen Ressourcen, Gegenstände greifen. Das Lautieren wird möglich und erste mimische Reaktionen wie ein Lächeln oder schmollen sind möglich. Das sprachliche Verständnis und Verständigung sind nicht vorhanden. Die in den vorherigen Wachkoma-Phasen ausgeprägte Muskelanspannung lässt allmählich nach.

5. Klüver-Bucy-Phase  (Verwirrtheitssyndrom)

In der Klüver-Bucy-Phase verlässt der Menschen im Remissionsprozess Wachkoma/SRW allmählich den minimalen Bewusstseinszustand und erlangt für die Kommunikation wichtige Funktionen zurück. In der Medizin wird diese Phase auch Verwirrtheitssyndrom genannt. Menschen in dieser Phase haben ein bedingtes Sprach- und Situationsverständnis. Sie können Kontakt per Augencode zu ihrer äußeren Umwelt aufbauen und zunehmend Sprache mit Ja/Nein-Antworten einsetzen. Ein funktioneller Objektgebrauch wird möglich.

6. Korsakow-Phase (Amnetisches Syndrom)

In der Korsakow-Phase werden sich die Betroffenen ihrer eigenen Stimmungslage bewusst. Es kann hierbei zu einem Wechsel zwischen euphorischen und depressiven Stimmungslagen kommen. Es erfolgt ein expliziter Sprachaufbau durch die Logopädie. Wenn der Bewegungsapparat es zulässt, wird das zunächst therapiegestütze, freie Laufen wieder möglich. In der Korsakow-Phase des Hirnorganischen Psychosyndroms (kurz HOPS) zeigen sich bei den Betroffenen noch starke Ausfälle im Kurz- und Mittelzeitgedächtnis. Es besteht eine erhöhte Sturzgefahr, da die Betroffenen ihre körperlichen Fähigkeiten noch nicht richtig einschätzen können. Maßnahmen zur Sturzprophylaxe sind in dieser Phase der Wachkoma-Remission daher zwingend erforderlich.

7. Integrationsstadium (erholtes Stadium mit möglichen bleibenden Folgeschäden)

Im Integrationsstadium oder “erholtes Stadium” können die Betroffen wieder sinnvoll und frei handeln. Sie planen selbst ihren Tagesablauf und können Pläne für die Zukunft schmieden. Die Betroffenen werden, im Rahmen ihrer Möglichkeiten und des körperlichen Zustandes, zunehmend unabhängiger.

Eine Pflegekraft führt eine aktivierende basale Stimulation auf dem Arm bei einer Patientin im Wachkoma durch.

Die aktivierende basale Stimulation stellt ein wesentliches Element der Wachkoma-Pflege dar | © ZBI Gruppe

Das Phasenmodell der neurologischen Rehabilitation bei Wachkoma-Patient*innen

Nach der Bundesarbeitsgemeinschaft Rehabilitation (BAR), sollen Patient*innen mit ihrem individuellen Hilfebedarf bestimmte Rehabilitationsphasen durchlaufen, um eine optimale Versorgung zu erhalten. Auch Menschen im Wachkoma durchlaufen diese Phasen. Die Phasen teilen sich von Phase A-F auf.

PHASE A – Akutversorgung

Die Phase A beschreibt die Akutversorgung in der Klinik/Intensivstation. Hierbei geht es darum, die Betroffenen in ihren Vitalzeichen und körperlichen Zustand zu stabilisieren und Symptome des apallischen Syndroms zu lindern.

PHASE B – Frührehabilitation

In der Phase B erfolgt eine intensive ärztliche, therapeutische und pflegerische Rehabilitation. Die Betroffenen werden nach ihren Möglichkeiten so oft wie möglich mobilisiert.

PHASE C – Weiterführende Rehabilitation

Sobald das Bewusstsein wieder weitestgehend vorhanden ist, beginnt die weiterführende Rehabilitation Phase C. In dieser Phase wird besonders viel Wert auf die Mobilisierung und das Wiedererlangen von Fähigkeiten gelegt.

PHASE D – Anschlussheilbehandlung (AHB)

In der Anschlussheilbehandlung Phase D findet die Rehabilitation nach Maßgabe der Deutschen Rentenversicherung statt. Ziel ist es, bestehende Behinderungen und körperliche Fehlhaltung zu mindern. Die Versorgung erfolgt in den meisten Fällen ambulant. Hier endet die medizinische Rehabilitation.

PHASE E – Nachsorge und berufliche Rehabilitation

In der Phase E wird dafür gesorgt, dass den Betroffenen der Übergang von der medizinischen Rehabilitation zurück in die Erwerbstätigkeit gelingt. Diese Phase wird auch oft die berufliche Wiedereingliederung genannt.

PHASE F – Neurologische Langzeitrehabilitation & ggf. Langzeitpflege

Menschen im Wachkoma/SRW - also Menschen mit beispielsweise schweren Schädel-Hirn-Verletzungen oder anderen schweren neurologischen Schädigung, die trotz intensiver Rehabilitation einen erhöhten Pflegebedarf beibehalten, werden in Einrichtungen der Phase F versorgt.

Menschen mit dem Syndrom reaktionsloser Wachheit (SRW)/Wachkoma, werden aufgrund der Schwere ihrer Erkrankung, nach der Akutbehandlung in der Klinik (Phase A) und der Frührehabilitation (Phase B), in den häufigsten Fällen in die Phase F (Langzeitrehabilitation) eingegliedert. Zum Einen muss die physikalische und die psychologische Rehabilitation gewährleistet werden. Zum Anderen steht das Integrieren, Inkludieren und eine maximale Teilhabe am sozialen Leben, innerhalb und außerhalb der Institutionen im Vordergrund.

 

Was ist der Unterschied zwischen Wachkoma und Locked-in-Syndrom?

Das Locked-in-Syndrom ist ein seltenes neurologischen Krankheitsbild, welches durch eine Teilläsion des Hirnstammes, eine fast komplette Lähmung des Körpers beschreibt. Anders als beim Wachkoma behalten Menschen im Locked-in-Syndrom ihr vollständiges Bewusstsein. Nur eine vertikale Bewegung der Augen und das Schließen der Augenlider ist möglich.

 


Florian Seybecke ist Fachbereichsleiter für die neurologische Langzeitrehabilitation in der ZBI Gruppe. Vor seinem Studium zum Bachelor of Science Pflege, mit den Schwerpunkten Qualitätsmanagement, wissenschaftliches Arbeiten sowie Care und Case Management, schloss er die Ausbildung zum examinierten Altenpfleger erfolgreich ab. Der Pflegeexperte für Menschen im Wachkoma und MCS gibt zudem auch als Dozent sein Wissen weiter.


 

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